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Ein Brand vernichtete vor 100 Jahren den Kastenhof   05.03.2002 17:48

Über 330 Feuerwehrleute aus Ochsenfurt und der Umgebung waren im Einsatz

Als am 6. März 1902 um kurz nach 15 Uhr die Bürgerglocke von St. Andreas zu diesem ungewöhnlichen Zeitpunkt zu läuten begann und lautstarke Signalrufe der "Vierteldiener" im ganzen Stadtgebiet erklangen, um die gesamte Bürgerschaft zur Brandbekämpfung zu alarmieren, ahnte sicher noch niemand, dass dieses Flammen-Inferno zum Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Zerstörung eines der schönsten und ältesten Profanbauwerke der Stadt enden würde: dem ehemals "Burkardinischen Kastenhof" in der Badgasse.

1592 erwarb das Ritterstift St. Burkard in Würzburg den "Schlehenried'schen Hof" mit den gotischen Treppengiebeln, um darin sein "Ochsenfurter Kastenamt" zur Vereinnahmung der Gült und des Zehnt aus den Lehensverhältnissen im Ochsenfurter Gau, sowie an Gollach und Steinach, einzurichten.

200 Jahre nach dem Bau der beiden Getreidespeicher war bei dem bis 20 Uhr wütendem Brand die 3-Flügelanlage des Kastenhofes mit zwei Vieh- und drei Schweineställen in Schutt und Asche gelegen.

Die Ortsfeuerwehr unter ihrem Commandanten, dem Bäckermeister Martin Oechsner, mit 93 freiwilligen und 60 pflichtigen Wehrmännern wurde unterstützt von den Wehren aus Hohestadt, Kleinochsenfurt, Goßmannsdorf, Zeubelried, Frickenhausen, Gnodstadt, Erlach, Marktbreit, Sommerhausen und Obernbreit Freiwilligen. 330 Feuerwehrmänner versuchten zu löschen.

Diese Wehren trafen zu Fuß, mit Pferdegespannen und jeweils einer von Hand betriebenen Saug- und Druckspritze am Brandherd ein.

1863 hatte der Ökonom u. Ziegeleibesitzer Joh. Dietrich Oechsner den Kastenhof ersteigert: Die Schütt- und Lagerböden eigneten sich bestens für den neu gegründeten Getreide- und Mehlhandel seines Sohnes Josef.

Der Brand griff rasch um sich und fand in den Warenvorräten, sowie Heu und Stroh, auf dem hölzernen Gebälk gelagert, reiche Nahrung, so dass auch das Wohnhaus zur Badgasse hin ein Raub der Flammen wurde. Durch die Höhen der Gebäude war eine wirkungsvolle Brandbekämpfung mit den damaligen, von Hand zu betätigenden Spritzen, äußerst schwierig.

Neben zwei Schiebeleitern war nur die erst 1899 erworbene "Balance-Auszugs-Leiter" im Einsatz. Diese Fahrleiter, mit übermannshohen Holzspeichenrädern ist in gut erhaltenem Zustand im neuen Feuerwehrhaus zu besichtigen.

Gegen ein Übergreifen des Brandes auf die nördlich an den Kastenhof angrenzende Mälzerei der Brauerei Gehring und dem auf der anderen Seite der Badgasse gelegenem Wohn- und Lagerhaus des Getreidehändlers Bernhard Ulrich musste zudem Vorsorge getroffen werden.

Die Wasserbeschaffung war das größte Problem, da ja die Leitungswasserversorgung erst ab 1908 erfolgte. Außer aus den umliegenden Straßen- und Hauspumpbrunnen sowie Regenwasserzisternen musste das Löschwasser vom Main hergeholt werden. Dies geschah auf hölzernen Wagen mit großen Holzzubern, die wiederum eimerweise gefüllt werden mussten.

Im Protokoll der Feuerwehr Ochsenfurt über diese Brandbekämpfung ist deshalb auch von einer besonderen Belobigung für die "Wasserbeschaffung durch die weibliche Einwohnerschaft" zu lesen.

Der Wiederaufbau des Kastenhofes danach ging zügig vonstatten. Das Vorderhaus und das östliche Speichergebäude wurden unter Beibehaltung der Umfassungsmauern wieder ausgebaut. Der ost-westlich verlaufende Getreidespeicher wurde ganz abgebrochen und zur Gewinnung einer größeren Hoffläche an der nördlichen Grundstücksgrenze in veränderter Größe wieder errichtet. Bereits im August 1902 wurden über den Wiederaufbau Rechnungen vorgelegt. Darinnen verrechnete der Baumeister Lorenz Kraemer für Maurer-Stunden 45 Pfennig für Taglöhner-Stunden 30 Pfennig und für eine Butte Mörtel 80 Pfennig. Zur Lagerung der neuen Getreideernte stand der Kastenhof-Speicher wieder zur Verfügung. Armin Oechsner