Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer

 

Die 12 „Hauptartikel aller Bauernschaft“

1525

 

Anlass

Eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis der „Zwölf Artikel“, der wichtigsten Programmschrift des Bauerkrieges,  ist dies:

Nicht (nur) die Erhöhung der Abgaben war es, was die Bauern veranlasste, über die hohe Belastung der Güter zu klagen, sondern die Tatsache, dass immer mehr Menschen von einem Hof das Auskommen finden mussten.  Bedingt durch die Bevölkerungszunahme. 

Wenn durch Überbesetzung der Dörfer die Höfe zumindest teilweise an die Grenze ihrer Erträge geraten waren, konnte jede weitere Belastung unerträglich erscheinen. Missernten brachten häufig den völligen Ruin der Lehensnehmer.

 

Wertverhältnis

Ein Gulden entsprach um 1600 etwa 18 Kg Roggen.
 12 Gulden war etwa der Jahreslohn eines Knechtes
.

 

Herkunft

Entstanden sind die zwölf Artikel wahrscheinlich in den ersten Februarwochen 1525 in der Reichsstadt Memmingen in Oberschwaben. 

Der bibelkundige Kürschnergeselle Sebastian Lotzer, geboren 1490 im Dorf Laiz bei Sigmaringen und der Prediger Christoph Schappeler aus Memmingen verfassten die „Zwölf Artikel“.

 

Von der Theologie waren diese Artikel  bestimmt, und von der absoluten Gültigkeit des Evangeliums ist die Rede. 

 

 

Inhalte u.a.

 

Der 11. Artikel fordert die Abschaffung des "Todfalls", einer Abgabe, die von der Witwe und den Waisen eines verstorbenen Bauern zu zahlen war, um den materiellen Verlust (!) eines Grundherren auszugleichen. 

Bei Freizinsern bestand diese aus "Besthaupt" (= bestes Stück Vieh) und/oder "Gewandfallabgabe" (= bestes Gewand). 

 

Bei Leibeigenen wurden 50 Prozent des mobilen Besitzes gefordert, also Ackergerät, Vieh etc., der als einziger persönlicher Vermögenswert dem Bauern selbst gehörte.

 

In der Präambel wehren sich die Bauern vehement gegen eine kausale Verknüpfung von neuer evangelischer Lehre und Aufstand, von Reformation und Revolution.

Allen Artikeln ist die Forderung gemeinsam, das Evangelium zu hören und danach zu leben. Die Bauern begehren das Evangelium zur Grundlage ihres Lebens; daher können sie nicht aufrührerisch und ungehorsam genannt werden. 

Diesen Gedanken nimmt der 12. Artikel noch einmal auf, um zu betonen, daß die Bauern von jeder Forderung ablassen wollen, deren Rechtmäßigkeit nicht unmittelbar aus der Bibel abgeleitet werden kann. 

 

Die Bauern verlangen u. a. das Recht zur Wahl und Absetzung des Pfarrers.  "Die Pfarrerwahl der Gemeinde sollte gewährleisten, daß fort an im Dorf tatsächlich ein Seelsorger residierte...".

 

Der große Zehnt, d. h. der zehnte Teil des Gesamtertrags an Roggen, Dinkel-Weizen, Hafer und Gerste, soll, anstatt in die Hände des Adels, der höheren Geistlichkeit bzw. der Städte zu fallen, dafür verwendet werden, den Pfarrer nach Ermessen der Gemeinde zu besolden. 

Der Rest soll für die Armen des Dorfes und die Land-  oder Reissteuer (Kriegssteuer) verwendet werden. 

Der kleine Zehnt (Obst und Gemüse, Flachs und Hanf, Eier, Milchprodukte und Tiere) wird verweigert, weil er aus der Bibel nicht zu belegen ist.

Quellen:
 
1.) Siedler: Deutsche Geschichte, Heinz Schilling, Berlin 1994
2 ) Die Revolution von 1525, Peter Blickle, München 1981
3.) Illustrierte Geschichte der deutschen frühbürgerlichen Revolution, Laube, Steinmetz, Vogler (Hrsg ) Berlin 1974
4.) Glanz und Elend des Mittelalters, Ferdinand Seibt, Berlin 1987
5.) Zur Vorgeschichte des deutschen Bauernkrieges, Heinz Kamnitzer, Berlin 1953
6.) Propyläen Weltgeschichte, Golo Mann, August Nitschke (Hrsg.), Frankfurt am Main 1960 - 1964
7.) Microsoft Encarta Enzyklopädie 1998, Stichwort“ Bauernkrieg"
8.)Unterfränkische Geschichte Band 3, Peter Kolb / Ernst-Günter Krenig, Würzburg 1995

 

Programmschrift und Reformvorschläge

des Bauernkrieges:

 Die 12 „Hauptartikel aller Bauernschaft“

1525

 (in Kurzfassung)

1.  Jede Gemeinde soll ihren Pfarrer selbst wählen dürfen.

2.  Den "rechten Kornzehnten" sind die Bauern bereit zu entrichten. Davon soll der Unterhalt des Pfarrers bestritten, der Rest an Bedürftige verteilt werden. Auch zur Verteidigung soll etwas zurückgelegt werden, "damit man keine Landsteuer auf den armen Mann legen muss".

3. Die Leibeigenschaft soll abgeschafft werden: "Es ist bisher der Brauch gewesen, daß man uns für Eigenleute gehalten hat, was zum Erbarmen ist. [Es] ergibt sich aus der Schrift, daß wir frei sind, und deshalb wollen wir's sein; nicht daß wir gar keine Obrigkeit haben wollen, das lehrt uns Gott nicht ..."

4. Jedermann soll freie Nutzung von Jagd und Fischfang haben.

5. In den Gemeindewäldern soll jeder Brennholz schlagen dürfen.

6. Die harten Dienstleistungen sollen auf das frühere Maß zurückgeführt werden.

7. Ein Vertrag zwischen Herren und Bauern soll die Dienstleistungen regeln.

8. Der Zins soll nach dem Vermögen des Bauern eingestuft werden.

9. Die Gerichtsbarkeit soll nicht der Willkür der Gerichtsherren anheimgestellt sein, sondern nach "der alten geschriebenen Strafe" verfahren.

10. Die Gemeindegüter sollen nicht veräußerlich sein.

11. Die Ablebensabgabe soll ganz abgeschafft werden.

12. "Zum zwölften ist unser Beschluss und endgültige Meinung, wenn einer oder mehrere Artikel ... dem Wort Gottes nicht gemäß sind - wie wir aber nicht glauben -, dieselbigen Artikel möge man uns mit den Worten Gottes als unzutreffend erweisen,    so wollen wir davon abstehen ..."

http://www.learn-line.nrw.de/Themen/NeueMedien/foyer/bauernkrieg/artikel.htm

 

 

Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer

 Die 12 „Hauptartikel aller Bauernschaft“

1525

 

   [1] Zum ersten ist unser demütig Bitt und Begehr, auch unser aller Will und Meinung, daß wir nun fürohin Gewalt und Macht wöllen haben, ein ganze Gemein soll ein Pfarrer selbs erwöhlen und kiesen, auch Gewalt haben, denselbigen wieder zu entsetzen, wann er sich ungebührlich hielt. Derselbig erwöhlt Pfarrer soll uns das heilig Evangeli lauter und klar predigen, ohne allen menschlichen Zusatz, Lehr und Gebot, dann uns den wahren Glauben stets verkündigen, geit [= gibt] uns ein Ursach, Gott umb sein Gnad zu bitten, uns denselbigen wahren Glauben einzubilden und in uns [zu] bestätigen. Dann wann sein Genad in uns nit eingebildet wird, so bleiben wir stets Fleisch und Blut, das dann nichts nutz ist, wie klärlich in der Geschrift staht, daß wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen kinden und allein durch sein Barmherzigkeit selig müssen werden. Darumb ist uns ein sölicher Vorgeher und Pfarrer von Nöten und in dieser Gestalt in der Geschrift gegrindt.

 

   [2] Zum andern, nachdem der recht Zehnt aufgesetzt ist im Alten Testament und im Neuen als erfüllt, nichtsdestminder wöllen wir den rechten Kornzehnt gern geben, doch wie sich gebührt. Demnach man soll ihn Gott geben und den Seinen mitteilen, gebührt es einem Pfarrer, so klar das Wort Gotts verkindt. Seien wir des Willen, hinfüro diesen Zehnt unser Kirch Pröpst, so dann ein Gemein einsetzt, sollen einsammlen und einnehmen, darvon einem Pfarrer, so von einer ganzen Gemein erwöhlt wird, sein ziemlich genugsam Aufenthalt [= Unterhalt] geben, ihm und den Seinen, nach Erkanntnus einer ganzen Gemein, und was überbleibt, soll man armen Dürftigen, so im selben Dorf vorhanden seind, mitteilen nach Gestalt der Sach und Erkanntnus einer Gemein. Was überbleibt, soll man behalten, ob man Reisen [= Kriegsdienst leisten] müßt von Landsnot wegen. Darmit man kein Landsteuer dürf auf den Armen anlegen, soll mans von diesem Überschuß ausrichten. Auch ob Sach wäre, daß eins oder mehr Dörfer wären, die den Zehenten selbs verkauft hättent aus etlicher Not halben, dieselbigen, so darumb anzuzeigen, ihn der Gestalt haben von einem ganzen Dorf, der soll es nit entgelten, sonder wir wöllen uns ziemlicher Weis nach Gestalt der Sach mit ihm vergleichen, ihm solichs wieder mit ziemlicher Ziel und Zeit ablösen. Aber wer von keinem Dorf solichs erkauft hat und ihre Vorfahren ihnen selbs solchs zugeeignet haben, wöllen und sollen und seind ihnen nicht weiters schuldig zu geben, allein, wie obstaht, unsern erwöhlten Pfarrer darmit zu unterhalten, nachmalen ablösen oder den Dürftigen mitteilen, wie die Heilig Geschrift inhölt, sie seien geistlich oder weltlich. Den kleinen Zehnt wöllen wir gar nit geben, dann Gott der Herr das Vieh frei dem Menschen beschaffen, das wir [ihn] für ein unziemlichen Zehnt schätzen, den die Menschen erdicht haben. Darumb wöllen wir ihn nit weiter geben.

 

[3] Zum dritten ist der Brauch bisher gewesen, daß man uns für ihr eigen [= leibeigen] Leut gehalten haben, wölch zu erbarmen ist, angesehen daß uns Christus all mit seinem kostbarlichen Blutvergüßen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich als wohl als den Höchsten, kein ausgenommen. Darumb erfindt sich mit der Geschrift, daß wir frei seien und wöllen sein. Nit, daß wir gar frei wöllen sein, kein Oberkeit haben wöllen, lernet uns Gott nit. Wir sollen in Geboten leben, nit in freiem fleischlichen Mutwillen, sonder Gott lieben, ihn als unsern Herren in unsern Nächsten erkennen, und alles das ton, so wir auch gern hätten, das uns Gott am Nachtmahl geboten hat zu einer Letz [= Lehre]. Darumb sollen wir nach seinem Gebot leben. Zeigt und weist uns dies Gebot nit an, daß wir der Oberkeit nit gehorsam seien, nit allein der Oberkeit, sunder wir sollen uns gegen jedermann demütigen, daß wir auch geren [= gern] gegen unser erwählten und gesetzten Oberkeit (so uns von Gott gesetzt) in allen ziemlichen und christlichen Sachen geren gehorsam seien. Seien auch ohn Zweifel, ihr werdend uns der [Leib]eigenschaft als wahr und recht Christen geren entlassen oder uns im Evangeli des berichten, daß wirs seien.

 

[4] Zum vierten ist bisher im Brauch gewesen, daß kein armer Mann nit Gewalt gehabt hat, das Wildbret, Gefigel [= Vögel] oder Fisch in fließenden Wasser nit zu fachen [= fangen] zugelassen werden, welchs uns ganz unziemlich und unbrüderlich dunkt, sunder eigennützig und dem Wort Gotts nit gemäß sein. Auch in etlichen Ortern die Oberkeit uns das Gewild zu Trutz und mächtigem Schaden haben [= halten], wir uns das Unser (so Gott dem Menschen zu Nutz wachsen hat lassen) [durch] die unvernünftigen Tier zu Unnutz verfressen, mutwilliglich leiden müssen, darzu still schweigen, das wider Gott und dem Nächsten ist. Wann [= denn] als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt geben uber alle Tier, uber den Vogel im Luft und uber den Fisch im Wasser. Darumb ist unser Begehren, wann einer Wasser hätte, das ers mit genugsamer Schrift beweisen mag, daß man das Wasser unwissenlich [= aus Unkenntnis] also erkauft hätte, begehren wir, ihms nit mit Gewalt zu nehmen, sunder man müßt ein christlich Einsehen darinnen haben vonwegen brüderlicher Lieb. Aber wer nit gnugsam Anzeigen darumb kann ton, solls einer Gemein ziemlicher Weis mitteilen [= teilhaben lassen].

 

[5] Zum fünften seien wir auch beschwert der Beholzung halb, dann unsere Herrschaften habent ihnen [= sich] die Hölzer alle allein [an]geeignet, und wann der arm Mann was bedarf, muß ers umb zwei [= das doppelte] Geld kaufen. Ist unser Meinung, was für Hölzer seien, es habens Geistlich oder Weltlich innen, die es nit erkauft haben, sollen einer ganzen Gemein wieder anheimfallen und einer Gemein ziemlicher Weis frei sein, eim jedlichen sein Notdurft ins Haus zu brennen umbsunst lassen nehmen, auch wann vonnöten sein wurde zu zimmern, auch umbsunst nehmen, doch mit Wissen der, so von der Gemein darzu erwählt werden. So aber keins vorhanden wär dann das, so redlich erkauft ist worden, soll man sich mit denselbigen briederlich und christelich vergleichen. Wann aber das Gut am Anfang aus ihnen selbs geeignet wär worden und nachmals verkauft worden, soll man sich vergleichen nach Gestalt der Sach und Erkanntnus briederlicher Lieb und Heiliger Geschrift.

 

  [6] Zum sechsten ist unser hart Beschwerung der Dienst halben, wölche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen. Begehren wir, daß man ein ziemlich Einsehen darein tu, uns dermaßen nit so hart [zu] beschweren, sonder uns gnädig hierinnen ansehen, wie unser Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wort Gotts.

 [7] Zum siebenten, daß wir hinfüro uns [durch] ein Herrschaft nit weiter wölle lassen beschweren, sonder wies ein Herrschaft ziemlicher Weis eim verleiht, also soll ers besitzen laut der Vereinigung des Herren und Bauren. Der Herr soll ihn nit weiter zwingen noch dringen, mehr Dienst noch anders von ihm umbsunst [zu] begehren, darmit der Bauer solich Gut onbeschwert also rüeblich [= ruhig] brauchen und nießen müg. Ob aber dem Herren Dienst vonnöten wären, soll ihm der Bauer willig und gehorsam für ander sein, doch zu Stund und Zeit, daß dem Bauren nit zu Nachteil dien, und ihme umb einen ziemlichen Pfenning Dienst [zu] tun. [5] Zum fünften seien wir auch beschwert der Beholzung halb, dann unsere Herrschaften habent ihnen [= sich] die Hölzer alle allein [an]geeignet, und wann der arm Mann was bedarf, muß ers umb zwei [= das doppelte] Geld kaufen. Ist unser Meinung, was für Hölzer seien, es habens Geistlich oder Weltlich innen, die es nit erkauft haben, sollen einer ganzen Gemein wieder anheimfallen und einer Gemein ziemlicher Weis frei sein, eim jedlichen sein Notdurft ins Haus zu brennen umbsunst lassen nehmen, auch wann vonnöten sein wurde zu zimmern, auch umbsunst nehmen, doch mit Wissen der, so von der Gemein darzu erwählt werden. So

[8] Zum achten sein wir beschwert, und der viel, so Güter innenhaben, daß dieselben Güter die Gült nit ertragen kinden und die Bauren das Ihre darauf einbießen und verderben. [Wir begehren,] daß die Herrschaft dieselbigen Güter ehrbar Leute besichtigen lassen und nach der Billigkeit ein Gült erschöpf [= festlege], damit der Baur sein Arbeit nit umbsunst tue, dann ein jedlicher Tagwerker ist seins Lohns wirdig.

[9] Zum neunten seien wir beschwert der großen Frevel [= schwere Vergehen], so man stets neu Satzung macht, nit daß man uns straft nach Gestalt der Sach, sunder zu Zeiten aus großem Neid und zu Zeiten aus großer Gunst. Ist unser Meinung, uns bei alter geschriebner Straf [zu] strafen, darnach die Sach gehandelt ist, und nit nach Gunst.

 [10] Zum zehenten sein wir beschwert, daß etlich haben ihnen zugeeignet [= sich angeeignet] Wiesen, dergleichen Äcker, die dann einer Gemein zugehörend. Dieselbigen werden wir wieder zu unsern gemeinen Handen nehmen, es sei dann Sach, daß mans redlich erkauft hab. Wann mans aber unbillicher Weis erkauft hätt, soll man sich gütlich und briederliche miteinander vergleichen nach Gestalt der Sach.

 

[11] Zum eilften wöllen wir den Brauch, genannt den Todfall, ganz und gar abtun haben, den nimmer leiden noch gestatten, daß man Witwen, Waisen das Ihre wider Gott und Ehren also schändlich nehmen, berauben soll, wie es an viel Orten (mänigerlei Gestalt) geschehen ist. Und von den, so sie beschitzen und beschirmen sollten, hand [= haben] sie uns geschunden und geschaben, und wann sie wenig Fug hättent gehabt, hättent dies gar genommen. Das Gott nit mehr leiden will, sunder soll ganz absein, kein Mensch nichts hinfüro schuldig sein zu geben, weder wenig noch viel.

 

[12] Zum zwelften ist unser Beschluß und endliche Meinung, wann einer oder mehr Artikel, allhie gestellt, so dem Wort Gottes nit gemäß wären, als wir dann nit vermeinen, dieselbigen Artikel, wo man uns mit dem Wort Gotts für unziemlich anzeigen, wollt wir darvon abstohn, wann mans uns mit Grund der Schrift erklärt. Ob man uns schon etlich Artikel jetz zuließ und hernach sich befänd, daß [sie] unrecht wären, sollen sie von Stund an tot und absein, nichts mehr gelten. Dergleichen, ob sich in der Schrift mit der Wahrheit mehr Artikel erfunden, die wider Gott und Beschwernus des Nächsten wären, wöll wir uns auch vorbehalten und beschlossen haben und uns in aller christlicher Lehr übern und brauchen. Darumb wir Gott den Herren bitten wöllen, der uns dasselbig geben kann und sunst niemand. Der Fried Christi sei mit uns allen.

 

Quelle: Detlef Plöse/Günter Vogler (Hsg.), Buch der Reformation. Eine Auswahl zeitgenössischer Zeugnisse (1476-1555). Berlin 1989, S. 358-362; in sprachlich geringfügig modernisierte Fassung.

 

Schappeler  Sertorius  Christoph 

 * 1472 in St. Gallen,  +  25.08.1551 in St. Gallen

 Reformator und Urheber der

12 „Hauptartikel aller Bauernschaft“  1525 

 

 Er studierte in Wien, wo 1500 auch Ulrich Zwingli weilte.
1503 bis 1513 war er Lehrer an der Lateinschule in St. Gallen.
Danach Prediger an der Martinskirche in Memmingen, wo er sich bereits
1519 oder 1520 zur neuen Lehre bekannte.
Er schloss sich der Richtung seines Freundes Zwingli an.
In Memmingen deckte er schonungslos Ungerechtigkeiten
des Rates und der Richter auf.
Die Abschaffung der Zehnten war wiederholt Thema seiner Predigten.
In Zürich predigte er (1523)  und in der zweiten Zürcher Disputation führte er
den Vorsitz und wurde in seinen Reformationsabsichten bestärkt.
1524 wurde er exkommuniziert.
Mit Unterstützung von Sebastian Lotzer setzte Schappeler 1525 die Reformation  in Memmingen durch.
Wohl wegen der Beziehungen zu Lotzer wurden die 12 Artikel der Bauern Schappeler als geistigen Urheber zugeschrieben.
Einem Aufstand war er abgeneigt, denn er beruhigte die Bauern um Memmingen und erzielte eine Einigung zwischen Bauern und Rat.
Das Bekenntnis seiner Lehre hatte er in 7 Artikeln zusammengefaßt.
Ende Mai 1525, infolge des negativen Ausgang des Bauernkrieges,
floh er in die Schweiz.
Stellenlos oder zeitweise als Prediger lebte Schappeler in St. Gallen.

 

Lit.: Friedrich Dobel, Memmingen im Reformationszeitalter nach handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen I: Schappeler, der erste Reformator von Memmingen 1713-1725.;
2. Aufl Augsburg 1877; -  Günther Franz, Die Entstehung der »Zwölf Artikel«.

Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg. Oldenburg 1933, 195 ff.;