Das Ochsenfurter Traubenwunder

 

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Ein Einblattdruck aus dem Jahre 1577 berichtet über das Traubenwunder von Ochsenfurt

 

Ein Neuhe Wunderbare vnnd Wahrhafftige geschitht/ von einem

Weintrauben/ Welcher sich durch Gottes Segen wunderbarlich erzeuget hat. 
Geschehen Anno 77

 

   

Als tausent und fünffhundert Jar
Sibensibtzig die jarzal war/
Begab sich warhafftig die geschicht
Wie ich anhie thu bericht/
Geschehen in Ochsenfurt der Stadt
Im Franckenland welches auch krat/
Ligt am Wasser mit nam der Mayn
Gantz weit erkandt von groß und klein/
Drin wont ein Herr gantz wohl bekandt
Michael Hinterdörffer gnandt/
Derselbig ein Weingarten hat
Derselbig ligt nit weit vor der Stadt
Auff der Frickheuser marck eben
Drin steht ein Weinstock hat zwu reben
Sambt andren klein reben endtsprossen
Auf abgmeltem  Stock heraus gschossen/
Der einzig abgmelt Reb versteht
Der zur rechten hand hinauf geht/
 

Angebunden an einen Pfal
Der hat getragen dazu mal/
Den schön Weintrauben der gestalt
Wie er alhie steht abgemalt/
Und diser Reb da das Aug rauß
Entsprossen ist/ hat von sich auß/
Von einander zurheilet fein
Also das achtzehn Weintreiblein/
Sein worden welchs mit verwundrung
Haben gesehen alt und jung/
Vil Würzburger / und andre warn
Kamen geritten und gefarn/
Sahen die Treubel mit verlangen
Mit verwundrung am Reben hangn/
Das ein Aug/ wie man pflegt zusagn
Solt allein achtzen treublein tragn/
Denn zwischen jeden Trauben fein
Sein gewachssen schöne weinbletlein/

Letzlich hat der Herr des Weingartens
In lassen verzeun/ das dem zarten/
Gwechs /kein schad nit zu handen kem
Nun hat sich begeben nach dem/
Das ein bös Mensch sich hat beflissn
Das schön gwechs heimlich abgerissn/
Welchs vuzeitig / ihm nichts nutz war
Zwu ander Perschon kam dar/
Zu sehen auch das göttlichwunder
Funden die Treubel liegenonder/
Dem Weinstock/ unden auf der Erde Den hubens auff/ mit beschwerdt/
Trugens in gen Ochsenfurt rein
Und gaben den dem Herren sein/
Den empfieng er mit grossen schmertzen
Also wenn Gott ein frommen hertzen/
Noch etwas guts gibt zugeniessen
Das thut dem Teuffel hartverdriessen/

Schaut wie er richt ein Schaden an
Wo er selbst nichts außrichten kann
So schickt er einen botten dar
Drumb sol wir billich gantz und gar/
Zu Gott ruffen das er bewar
Die Früchte auf dem Feldt immerdar/
Und auch dieselben lass ersprissn
Das wirs mögen mit Danck genissn/
Und austheilen gantz Brüderlich
Und dem geitz Teuffel wehr gewaltig/
Sambt allem undglück und elendt
Helff uns immer ewig/ Amendt
 

Gedruckt zu Nürnberg / durch

Alexander Pfeiffer

Repro: Helmut Rienecker, von einem Foto aus dem Besitz des Stadtarchivars Hans Hohe
 Die letzten bekannten Originale des Einblattdruckes über das "Ochsenfurter Traubenwunder" befinden sich im Besitz der Staatsbibliothek zu  Berlin und in der Zentralbibliothek Zürich.

 

Zeitungsartikel in der Mainpost vom 11.September 2004

Das Ochsenfurter Traubenwunder

 

Eine Geschichte aus der Blütezeit des Ochsenfurter Weinbaus

 

Im Jahre 1577 brachte eine Laune der Natur in einem hiesigen Weinberg etwas ganz besonderes zustande. Das Ereignis war so ungeheuerlich, dass der Nürnberger Dichter und Drucker Alexander Pfeuffer ein längeres Gedicht darüber abfasste. Mit einem Holzschnitt von Jost Amman wurde es als Einblattdruck hergestellt und veröffentlicht.

Was war geschehen: Der Ochsenfurter Winzer Michael Hinterdörffer hatte seinen Weinberg „auff der Frickheuser marck“. Dort entdeckte er eines Tages an einem Weinstock ein Auge dem nicht weniger als 18 Reben entsprossen. Schnell sprach sich die Kunde des Naturwunders in der ganzen Umgegend herum. Der Chronist berichtet: „Vil Würzburger und andre warn, kamen geritten und gefarn, sahen die Treubel mit Verlangen mit Verwundrung am Reben hangn. Das ein Aug, wie man pflegt zusagn, solt allein achtzen Treublein tragn.“ Um die Trauben vor den  Zugriffen der zudringlichen Bewunderer zu schützen, baute der Häcker sogar einen Zaun drumherum. Jedoch, so weiß der Dichter, es sollte nichts nützen: „Nun hat sich begeben nach dem, dass ein bös Mensch sich hat beflissn, das schön Gwechs heimlich abgerissn.“ Da lagen nun die unreifen Treubel auf dem Boden, man brachte sie zu seinem Besitzer, der sie mit „großen Schmertzen“ entgegennahm. Doch findet der Dichter schnell den Schuldigen. Der Teufel war’s, der einen Boten geschickt hat, um das Gotteswerk zu zerstören. Das Gedicht endet dann auch mit dem Rat, zu Gott zu beten, „das er bewar, die Früchte auf dem Feldt immerdar“.

Die beiden letzten verbliebenen der etwa 1000 Drucke  werden in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin und im Staatsmuseum Zürich aufbewahrt. Der ehemalige Stadtarchivar Hans Hohe hat uns freundlicherweise ein Foto dieses Originals zur Verfügung gestellt. Im vorigen Jahrhunderten wurden solche Einblattdrucke von besonderen Ereignissen oft auf den Jahrmärkten feilgeboten, sie waren die Vorläufer der heutigen Sensationspresse.