Die Ochsenfurter Stierfigur - oder der "Ochs" -  Juli 2004

Der Ochsenfurter Stierreiter

Ein Ochs als Teil des Nazi-Größenwahns

 
OCHSENFURT Seit den Nachkriegsjahren steht in Ochsenfurt auf der rechten Mainseite unterhalb der Neuen Mainbrücke ein steinernes Standbild. Zu allerlei Legenden und Spekulationen haben der Stier und sein Reiter seitdem Anlass gegeben. Die Spurensuche nach den wahren Ursprüngen führt ins Dritte Reich und zur Gigantomanie der Nazi-Machthaber.
 
Im Jahre 1938 und 1939 schuf der Bildhauer Wilhelm Ax aus Obermendig in der Eifel mit einem zweiten Kollegen, dessen Name nicht überliefert ist, die vier Meter hohe Skulptur. Die Arbeiten wurden im Ochsenfurter Steinwerk Lorenz Kraemer unter Mithilfe der dortigen Arbeiter durchgeführt.

Vorlage war ein Entwurf des Bad Godesberger Bildhauers Professor Willy Meller, für den Ax schon vorher gearbeitet hatte. Nach dessen Gipsmodell im Maßstab 1:2 wurde das Steinbild aus Frickenhäuser Muschelkalkblöcken gefertigt. Meller war einer der bekanntesten Bildhauer während des Dritten Reichs. Seine Arbeiten wurden von den Nazis als "Gebilde griechisch-germanischer Kunst" gerühmt.

Professor Meller in seinem Atelier in Berlin

Professor Meller zu Besuch in Ochsenfurt

Der Kölner Bildhauer Professor Willy Meller in seinem Atelier. Rechts und links im Bild die Modelle für Prora, in der Mitte ein Entwurf für die Ordensburg Crössinsee. Das Repro wurde mir freundlicherweise von Frau Beate Eckstein zur Verfügung gestellt, die an der Kölner Universität ihre Magisterarbeit über Professor Meller schrieb und dabei den Bestimmungsort der Skulpturen herausfand.

Professor Meller bei einem Besuch in Ochsenfurt  an seinem Werk. 

Bildquelle germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Auch nach dem Krieg war Meller weiterhin als Bildhauer tätig. Unter anderem schuf er dann das Mahnmal "Die Trauernde". Die Basaltplastik wurde 1962 vor der Gedenkhalle zur Erinnerung an die Opfer des Naziregimes in Oberhausen aufgestellt.

Für Rügen bestimmt

Doch zurück zu unserem "Ochs". Ursprünglich war die Skulptur für ein Seebad der Nazi-Organisation KdF (Kraft durch Freude) in Prora auf der Ostseeinsel Rügen bestimmt. Es sollte das erste von insgesamt fünf Erholungszentren beispielloser Größe an den Küsten sein. Erbaut für 20 000 "Volksgenossen" erstreckt sich das Gebäude über viereinhalb Kilometer am Ostseestrand entlang. Noch heute sind die Reste des Bauwerks, das inzwischen verschiedene Museen beherbergt, das längste Gebäude Europas.

Inmitten dieser gigantischen Ferienanlage sollten unter anderem auch die ersten Hallen-Wellenbäder entstehen. Entweder darin oder in einem 400 Meter langen Wasserbecken mit Springbrunnen-Anlagen sollte der "Ochs" dann seinen Platz finden. Die Figur sollte halb aus dem Wasser ragen, so als ob sie herausspringen würde, aus diesem Grund hat sie auch keine Hinterbeine.

In Prora begannen Ende 1936 neun Konzerne und 48 Firmen mit bis zu 5000 Arbeitern mit dem Bau, im Oktober 1938 konnte bereits Richtfest für das erste der neun 500 Meter langen Unterkunftshäuser gefeiert werden. Fertig gestellt wurde die Anlage jedoch nie. Mit Kriegsbeginn 1939 wurden die Arbeiten auf der riesigen Großbaustelle eingestellt.

Auch die Ochsenfurter Skulptur, die inzwischen fertig gestellt war, wurde nun nicht mehr gebraucht. Jahrelang lagerten die Teile dann im Ochsenfurter Natursteinwerk. Beim Bau der Neuen Mainbrücke im Jahre 1954 erinnerte man sich wieder an die eingelagerten Steinquader. Ersten Plänen zufolge sollte die Figur im Altwasser des Mains, in der Nähe des jetzigen Standortes aufgestellt werden.

Teure Fundamente

Wegen der aufwändigen und teueren Fundamente unter dem Wasserspiegel entschied man sich aber dagegen. Unter der Planung von Professor Meller wurde das 25 Tonnen schwere Standbild dann vor 50 Jahren neben der westlichen Brückenauffahrt aufgemauert.

Hochwasser am Main in Ochsenfurt

So, wie hier bei Hochwasser aufgenommen, sollte es aussehen. Bildquelle: Privatarchiv Heinz Kretzer Ochsenfurt

Der Reiter auf dem Stier ist jedoch nicht das einzige Monument, das damals hier angefertigt werden sollte. Professor Meller hatte zwei Modelle gefertigt. Der Mann auf dem wilden Stier symbolisierte die allegorische Darstellung der Kraft. Als Gegenstück war eine Frau auf einem Pferd geplant, welche die Freude darstellen sollte. Von ihr war aber bis Ende 1939 lediglich der Kopf fertig gestellt.

Der Kopf der Freude in Ochsenfurt

Aber auch er blieb erhalten. Schon seit einigen Jahren steht er auf einem Sockel neben der Südtangente vor dem Schaufenster des Steinwerkes Kraemer und Hofmann.

Bis 1945 waren in den Steinbrüchen rund um Ochsenfurt noch weitere Steinquader im Auftrag des Reiches hergestellt worden. Die über 20 000 Kubikmeter behauener Kalksteine lagerten lange auf einem Platz oberhalb der Floßhäfen, zwischen dem  Flockenwerk und der Mündung des Thierbaches. Ursprünglich waren sie als Baumaterial für Brücken der geplanten Reichsautobahnen gedacht.

Beim Bau der Neuen Mainbrücke von 1952 bis 1954 wurden mit den Kalksteinblöcken die Auffahrtsrampen zum Brückenbogen gemauert. Auch für die Ausmauerung der Schleusenkammern der Staustufen Randersacker, Kleinochsenfurt und Marktbreit in den Jahren 1950 bis 1953 reichten die angehäuften Steine noch aus. Der Rest wurde beim Bau der Bahnunterführung an der B 13 in Ochsenfurt verwendet.

Der Steinmetz Willy Ax blieb weiterhin in Ochsenfurt, nachdem er hier seine Frau Irmgard kennen gelernt hatte. Nach dem Krieg gründete er hier seinen Bildhauer- und Steinmetzbetrieb, der seit seinem Tod 1994 von seinen Söhnen weitergeführt wird. Zu seinen bekanntesten Werken in Ochsenfurt zählen neben dem "Ochs" die Reliefs mit dem Bundesadler an der Neuen Mainbrücke und dem Gott der Zeit "Chronos" in der Unterführung sowie die stadtseitige Figur des Heiligen Nepomuk auf der Alten Mainbrücke.